Ernest Dowson (1867-1900) - Dregs
The fire is out, and spent the warmth thereof
(This is the end of every song man sings!)
The golden wine is drunk, the dregs remain,
Bitter as wormwood and as salt as pain;
And health and hope have gone the way of love
Into the drear oblivion of lost things.
Ghosts go along with us until the end,
This was a mistress, this, perhaps, a friend.
With pale, indifferent eyes, we sit and wait
For the dropt curtain and the closing gate:
This is the end of all the songs man sings.
Ernest Dowson - Hefe
Das Feuer losch, die Wärme, sie verflog,
(Es endet jedes Menschen Lied ganz gleich!)
Der Weinkrug leer, die Hefe bleibt allein,
Wie Wermut bitter, salzig wie die Pein;
Kraft, Hoffnung, wie die Liebe, alles zog
In des Verlornen ödes Totenreich.
Zum Schluß gehn nur Gespenster uns vereint,
Dies war Geliebte, dies vielleicht ein Freund.
Mit bleichen, stumpfen Augen warten wir,
Bis daß der Vorhang fällt, sich schließt die Tür:
Es endet aller Menschen Lied ganz gleich.
"Dregs" gehört zu den drei Gedichten von Dowson, die Stefan George nachgedichtet hat. Daher könnte mancher auf den Gedanken geraten, mich für größenwahnsinnig zu halten, eine weitere Version vorzulegen. Größenwahn ist jedoch nicht der Grund, sondern schlicht das durch das Gedicht Angesprochen-Sein, das mich zu meiner Bemühung bewog. Daß sie recht anders ausfällt als die Georgesche, dürfte den Versuch rechtfertigen.
Dieses kurze Gedicht ist sehr dicht gewoben; erst jüngst habe ich noch an der Nachdichtung gebessert, da ich der Struktur des Gedichtes, seiner Reimfügung, nicht gerecht geworden war. Der Reim der ersten beiden Verse wird erst in der Mitte des Gedichts wieder aufgenommen, der aus Vers 2 kehrt dann noch einmal identisch im Schlußvers wieder, der den Vers 2 minimal variiert.
Auch hier bietet Dowson wieder "Jahrhundertwende at its best", wenn ich so sagen darf. Komprimiert finden sich Bilder des dekadenten Lebensekels, Lebensüberdrusses, ennui und Schwermut prägen jeden Vers. Von Todessehnsucht zu sprechen, ach, das würde schon viel zu weit führen, wäre im Grunde eine viel zu aktivistische Haltung - hier findet man nur resignierte, verdrossene Kontemplation, illusionslos bis auf die Knochen. Vielleicht hat Dowson doch einen deutschen Geistesbruder, den genialen Grafen Wolf von Kalckreuth (1887-1906), der sich leider nicht mittels Trunksucht ruinierte wie Dowson, sondern sich schon 19-jährig in bitterer Konsequenz erschossen hat. Was hätte der uns noch schenken können! Er hat ähnliche Stimmungen, er hat einen ähnlichen Ton, seine Formgewandtheit, die Wahl seiner Formen - häufig mit sich wiederholenden Versen - ist Dowson ähnlich. Und wenn es in einem kurzen Gedicht von ihm heißt:
"In Qual und bittres Lachen treibt uns
Ein schrecklich-kleinliches Gebot.
Und still und ohne Glanz zerreibt uns
Die Last des Niedren bis zum Tod.",
dann gibt dies auf sehr verwandte Weise die Stimmung von Dowsons "Dregs" wieder. Eine Stimmungslage, die fast alle Kalckreuth-Gedichte durchzieht. Ihm fehlt nur die dekadente Bohème-Note Dowsons, aber selbst die niedrigen Abgründe der Großstadt hallen bei ihm wider - etwa im grandios-visionären Gedicht "Wann sich zum Schlaf die Riesenstädte strecken". Die Biographien dieser Dichter sind so unterschiedlich, wie sie es nur sein können; in ihrem Schaffen erscheinen sie bisweilen wie Zwillingsbrüder.
George, dieser ganz andere Dichtertypus, kennt diese Stimmungslage in seiner Lyrik der 90er Jahre auch. Es verwundert nicht, daß ihn Dowsons Verse anzogen. Mit drei Gedichten scheint er schon rein zahlenmäßig an der Spitze der Dowson-Verdeutscher zu stehen - freilich hoffe ich, daß in Zeitschriften und Anthologien noch manches Verborgene schlummern mag. Mit drei Stücken habe ich nun gleichgezogen und hoffe zuversichtlich, damit erst am Anfang zu stehen.
Zum Vergleich sei hier Georges Nachdichtung wiedergegeben; da der Zeichensatz des Rechners den Georgeschen "Hochpunkt" nicht kennt, der nicht mit einem Komma identisch ist, muß ich ihn hier dennoch in Kommaform wiedegeben - jedes Komma ist also im Geiste durch einen Hochpunkt zu ersetzen.
HEFE
Das feuer losch, die wärme ward zu rauch -
So endet jeder sang den einer singt.
Die hefe bleibt, (erschöpft der goldne wein!)
Wie wermut bitter und so scharf wie pein.
Mit kraft und hoffen ging die liebe auch
Wo trüb vergessen tote dinge schlingt,
Und bis ans end ein zug von geistern schleicht:
Dies war die liebste, dies ein freund vielleicht.
So sitzen wir und warten wunschlos, fahl -
Bald fällt der vorhang, bald schliesst das portal.
So endet jeder sang den einer singt.
Mich kommt geradezu ein Höhenschwindel an, aber mir scheint: schlechter ist meine Version nicht, anders, ja, aber, in aller Bescheidenheit: sie besteht völlig neben der Bemühung des "Meisters" höchstselbst. Nicht ganz zufrieden bin ich mit Vers 5, der nicht recht rund ist, etwas hölzern wirkt, auch der am Schluß wiederholte Vers 2 ist wohl noch nicht optimal; immerhin, eine Variante in die Wiederholung habe ich eingarbeitet, über die George großzügig hinwegging (ich freilich in meinen ersten Fassungen ebenso, wo es noch "So endet jeder menschliche Gesang" hieß). Bei George scheinen mir freilich Vers 6-7 nicht optimal.
Nun ja, so ist das. Nachdichtungen bleiben immer "Näherunsgwerte"; momentweise mag man zufrieden sein, doch dann schlägt immer wieder hier oder dort ein Ungenügen durch...