Ralf Gnosa freier Schriftsteller und Literaturwissenschaftler


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Einzelgedichte

Versteinerungen

Herz: ein trilobit.
Kopf: ein ammonshorn.
Was da noch geschieht?
Nichts. ein jedes glied
Ein versteinter dorn.

Rauh und bröcklig: stein
Ward das fleisch die haut.
Dringt noch etwas ein?
Nein. die litanein
Hallen innen laut.

Geht nichts ein und aus.
Herz: ein koprolith.
Steinern schneckenhaus.
Schallender applaus
Höhnisch es durchzieht.

Karl Schloß (zum beispiel)

Wer kennt dich noch? was ist aus dir
Geworden? deines todes tag
Und ort – man kennt sie nicht. die bücher
Verschweigen dich. der brockhaus schweigt.
Dem kürschner selbst – selbst ihm bist du
Entfallen irgendwann. warum?
Um dich liegt schweigen. und ich frag
Warum. vergessen ist aus eisen.
In nacht verschwimmst du. ich sah nie
Dein bild. und kenn nicht deine schrift.
Dein name klingt blass fast wie ein gerücht.
Und machtest doch bessre gedichte
- Ein paar – als mancher genannte
Gekannte.
cccccccccco was ist denn ruhm?
Wer macht ihn? wer ruft auf die szene
Den fleißigen durchschnitt beflisse-
Ne streber? wer taucht seine feder
In ruhm und schreibt rilke (zurecht)
George (zurecht) und so viele
Zuunrecht: ist einer von vielen
Hieß (- nun wie auch immer) – und kann
Dir nicht das wasser reichen. ist
Gekannt. ob es die menge macht?
Die vielzahl mittelmäßger bände?
(Ich kenn von deinen liedern zehn
In etwa nur) ein amt? partei?
Solch peripheres drumherum?
Du schweigst. nein: du bist eingeschwiegen.
Das wort ist dir entzogen. du
Verschwandst… warum? wohin? selbst: wann?
Wer stieß dich zu den schatten? heißt
Weit schwächere florieren? man
Mag fast schon keine zeile mehr
In diese pampa setzen. freund!
Ich rufe dich mein bruder. hör!
Sag hörst du mich? der ich ja schon
Verschollen bin vorm tod. die hand
Ist ausgestreckt in nacht und nichts.


Hinweis: kurze Zeit, nachdem ich dieses Gedicht geschrieben hatte, entdeckte ich die folgende Neuausgabe:
Karl Schloß: „Die Blumen werden in Rauch aufgehen. Ausgewählte Gedichte und Briefe. Ein Gedenkbuch“ hrsg. von Wulf Kirsten u. Annelore Schlösser. Frankfurt a.M.: Brandes & Apsel 2003.
Dort werden die gestellten Fragen z.T. beantwortet; sein Schicksal, sein „Verschwinden“ haben etwas auf traurige Weise Typisches für unser Jahrhundert: Karl Schloß wurde am 3.1.1944 im KZ Auschwitz zu Tode gebracht; sein einziges Verbrechen war es, ein deutscher Jude zu sein – deutscher Kultur weit tiefer verbunden als seine Mörder…
Das Buch ist noch lieferbar, für 15,90 € - wer diese Chance nicht nutzt, ist selber schuld.

Winterlied

Winterliche stunden.
Seele starrt im blut.
Firnverharschte wunden.
Blutest nicht. doch gut

Wurde nichts. es enden
Wunden nur durch tod.
Eingefrorn. verbunden
Nicht. und todesnot

Löst es ab: das leben.
Angst und immer schmerz.
Leere. nichts. wie geben
Hände irgendwärts?

Leere. kälte. wände.
Ahungslos in angst.
Eisverziertes ende.
Dorn wohin du langst.

Kataleptische vision

Das dunkel flockt wie staub
Auf meine haut. und steif
Ist jeder muskel – raub
Der kälte. ich begreif

Noch was um mich geschieht.
Der leib jedoch liegt tot.
Mein starres auge sieht
Das grauen das mir droht.

Das lid schließt sich nicht mehr.
Ich muß die angst bestehn.
Im raume kalt und leer
Sich dunkle wände drehn

Um meinen toten leib.
Sie nähern sich. und eng
Wird raum durch den ich treib
In dem ich angstvoll häng.

Da schlägt die faust hinab
Die schwarz in flammen brennt
Und drängt mich dicht ans grab.
Gelähmter geist erkennt.

Faust trümmert leib entzwei
Der schmerzlos mir zerspringt.
Die angst verlangt nach schrei.
Der geist in ängsten –
ccccccccccccccccccccsingt.


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